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Filmkritik
Mary Shelleys Schauerroman „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ gilt als Grundstein des modernen Horrorfilms und inspirierte seit James Whales legendärer Verfilmung von 1931 zahllose Adaptionen. Dazu zählen auch zahlreiche freie Verfilmungen über Wissenschaftler, die mittels menschlicher Leichenteile und einer strombasierten Apparatur ein Monstrum erschaffen und die Menschheit das Fürchten lehren.
In „Alles voller Monster“ liegt hoch über dem Dorf Rafferskaff die Burg Grottenow, wo zahlreiche von einem exzentrischen Professor geschaffene Kreaturen hausen. Als erstes Ergebnis, das aus diesen Experimenten hervorgegangen ist, ist Stichkopf (im Original: Stitch Head) dazu bestimmt, fortan als treues Helferlein des Wissenschaftlers zu dienen. Er gibt den bizarren Wesen eine haargenaue Einführung, wie sie sich als Monster zu verhalten haben. Und dabei gilt: Auf keinen Fall den Menschen begegnen, da diese sich sonst zum wütenden Mob zusammenrotten und das schaurige Anwesen niederbrennen würden!
Da sich Stichkopf aber von seinem Schöpfer nicht wertgeschätzt fühlt und er sich nach Zuneigung sehnt, schließt er sich dem „Scheusal-Zirkus“ an, um die Menschenmassen als neue, schaurige Attraktion anzulocken. Doch der hundsgemeine Zirkusdirektor ist nur aufs Geld aus und wird schon bald feststellen, dass auf Grottenow noch viele weitere solcher Geschöpfe leben.
Frankenstein trifft auf Pinocchio
Der Animationsfilm adaptiert die Geschichte von Mary Shelleys Klassiker zwar nicht direkt, doch die ihm zugrundeliegende Graphic Novel von Guy Bass ließ sich augenscheinlich davon inspirieren. So gerät die Perspektive des manischen Wissenschaftlers in den Hintergrund und stellt sich eher die Fragen danach, was passiert, wenn man als Neuschöpfung – wie Stichkopf – entsteht und dann keine Beachtung mehr erhält. Im Kern spiegelt sich darin das Schicksal von Frankensteins Kreatur: ein Wesen, das Schrecken verbreitet, nicht aus Bosheit, sondern als tragisches Beiwerk seiner eigenen Entstehung. Stichkopf schließt sich dem Zirkusdirektor an, in der aussichtslosen Hoffnung, damit die vermisste Liebe zu bekommen, und bedient sich dabei auch eines Erzählelements aus dem Kinderbuch-Klassiker „Pinocchio“.
Monster oder Menschen, die in diese Welt gesetzt, aber nicht wertgeschätzt werden: Diese Erziehungsthemen werden in „Alles voller Monster“ kindergerecht konzipiert und ähneln eher spaßig-harmlosen Gruselabenteuern wie der „Hotel Transsilvanien“-Reihe als fordernden Animationsfilmen wie „Caroline“ oder „ParaNorman“. Auch wenn der Film für seine Zielgruppe ein vergnügliches Abenteuer bereithält, hätte man sich doch etwas weniger Slapstick und kindlich-simple Komik der quietschbunten Monster gewünscht, und dafür mehr schaurige Atmosphäre, die man auch jungen Zuschauern sicherlich zumuten kann. Zwar zitiert die Inszenierung mit visuellen Anleihen an „2001: Odyssee im Weltraum“ oder „E.T. - Der Außerirdische“ einige Filmklassiker, doch so kultig diese Vorbilder auch sein mögen – selbst ihre ironische Referenzialität wirkt inzwischen antiquiert. Auch die Adaption von Shelleys Schauerroman als Animationsfilm ist kein Novum: Tim Burton etwa griff in seinem Stop-Motion-Werk „Frankenweenie“ deutlich auf dessen Motive zurück.
Kindgerechte Kreaturen-Kost
Animiert ist der Film, an dem auch die deutsche Produktionsfirma Gringo Films beteiligt war, überraschend überzeugend. Zwar wirken die Figuren mitunter etwas zu glattpoliert, doch die Ästhetik der Comicpanels wurde mit spürbarer Sorgfalt und organischem Gespür auf die Leinwand übertragen. Zumal der in Köln ansässige Regisseur und Produzent Steve Hudson, der dem deutschen Publikum einst als Darsteller bei der Seifenopfer „Verbotene Liebe“ bekannt wurde, auf unbekanntem Terrain operierte. Nach drei Spielfilmen gelingt ihm sein erster im Bereich der Computeranimation.
So wird sich das junge Zielpublikum an der mystisch-chaotischen Burg und ihren skurrilen Monster-Bewohnern gewiss nicht sattsehen können. Und wenn am Ende Mensch und Monster zueinanderfinden und ihre Furcht überwinden, darf das als versöhnliches Fazit eines kindgerechten Animationsfilms durchaus bestehen bleiben.
