- RegieDominique Margot
- ProduktionsländerSchweiz
- Produktionsjahr2024
- Dauer97 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- AltersfreigabeFSK 0
Vorstellungen
Filmkritik
Wenn der Berg ruft, nehmen viele Menschen das allenfalls mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Wenn sie denn überhaupt etwas hören. Andere hingegen fühlen sich immer wieder animiert, im Hochgebirge herumzukraxeln, Gipfel zu erklimmen oder im Winter auf Skiern die Hänge hinunterzusausen. Doch kaum einer dürfte sich dem Sound der Berge mit so viel Enthusiasmus annehmen wie der Schweizer Musiker Claudio Landolt. Mit Mikrophon und Aufnahmegerät ist er bei jedem Wetter in den Alpen unterwegs, um die Geräusche der Berge einzufangen und daraus in seinem Studio Ton-Collagen zu basteln. Landolt ist davon überzeugt, dass auch Berge Lebewesen sind. Am Ende schreibt er ihnen sogar einen Brief. Ob der kauzige Geräuschesammler das alles ernst meint?
Das Matterhorn gerät ins Wanken
Dokumentarfilme über das Hochgebirge sind oft hymnische Lobgesänge auf die Schönheit der Natur. Oder sie folgen tollkühnen Abenteuern bei extremen Klettertouren in die Steilwände. In jüngerer Zeit widmen sie sich aber zunehmend auch den Bedrohungen dieses Lebensraums durch Tourismus oder den Klimawandel. Die Filmemacherin Dominique Margot hat sich drei Jahre lang in den Alpen bewegt und einen anderen Zugang zur Bergwelt gefunden. In „Bergfahrt“ stehen neun Protagonisten im Vordergrund, die sich auf höchst unterschiedliche Arten mit dem alpinen Lebensraum befassen.
Da gibt es eine Biologin, die sich schon lange mit der Frage beschäftigt, wie die Flora mit den veränderten Rahmenbedingungen zurechtkommt. Oder den betagten Naturparkwächter aus dem Aostatal, der die Landflucht aus seinem Heimatdorf beklagt und bekennt, dass er von Tieren mehr gelernt habe als von Menschen. Hinzu kommt ein Forscher, der das Matterhorn mit einer Vielzahl von Sonden versehen hat und durch seine Messungen nachweisen kann, wie der Felskoloss bei starken Stürmen ins Wanken gerät.
Außerdem gibt es die Bergführerin, die ihren Lebensgefährten in der Eiger-Nordwand verloren hat und sich lange gefragt hat, ob sie je wieder klettern kann. Irgendwann aber hat sie ihren Frieden mit dem Berg gemacht, der schließlich nichts dafürkönne. So sieht man sie mit einem Freund nun den Eiger erklimmen.
Der Reiz des Ästhetischen
Ihre Tour liefert wie manche andere Sequenz spektakuläre Bilder. Doch diese stehen in „Bergfahrt“ nicht im Vordergrund; von einer Postkarten-Idylle ist hier nichts zu sehen. Vielfach sind die Berge in Nebel gehüllt. Als ein Glaziologe Besuchern etwas über den Rückgang der Gletscher erzählt, findet das sogar im strömenden Regen statt. Die Exzesse des Massentourismus kommen am Beispiel des österreichischen Skiorts Sölden auch vor. Man komme halt den Wünschen der Kundschaft nach, erklärt der Manager, aber man habe durchaus auch den Naturschutz im Blick. Auch wenn es danach keineswegs aussieht, selbst wenn das Ballett der nächtlichen Pistenraupen durchaus einen ästhetischen Reiz hat.
Das gilt auch für die Darbietungen einer japanischen Performance-Künstlerin, die an verschiedenen Orten immer wieder mal unvermittelt auftaucht. In der Eingangssequenz, in der sie eine Touristin mimt, die sich in einer Bergbahn-Gondel höchst seltsam verhält, rätselt man noch, ob vielleicht Alkohol oder andere Drogen im Spiel gewesen sein könnten. Zumal die Aktion nicht erklärt wird. Generell wird im Film wenig erklärt, wenn es um die Deutung seiner Elemente geht. Auf einen Kommentar verzichtet die Filmemacherin komplett. Stattdessen erschafft sie ein komplexes Kaleidoskop aus Beobachtungen, persönlichen Geschichten und wissenschaftlichen Erkenntnissen von Menschen, die sich mit dem alpinen Lebensraum beschäftigen.
Das Zerfließen eines Gletschers
„Bergfahrt“ ist eine über weite Strecken faszinierende Bestandsaufnahme, die fast völlig auf Musik verzichtet und nur einmal in die filmische Trickkiste greift, wenn das Fließen eines Gletschers im Zeitraffer vorgeführt wird.