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Filmkritik
Es ist nicht unbedingt schlecht, wenn ein Film seinem eigenen Titel widerspricht, denn er scheint damit ausgetretene Pfade verlassen zu wollen. „Dann passiert das Leben“ lässt zunächst ein Arthouse-Klischee erwarten: Auf ein tödliches Ereignis oder eine schreckliche Diagnose folgt wiederentdeckter Lebensmut, ein Trotzdem und Jetzt-erst-recht. Erbauliches Wohlfühlkino mit der Botschaft „Es ist nie zu spät“.
Doch Neele Leana Vollmar, die vor allem für Kinder- und Jugendfilme, aber auch für Literaturverfilmungen wie „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ (2009) oder „Auerhaus“ (2019) bekannt ist, hat mit ihrem Ehedrama etwas anderes vor. Sie zieht die Tristesse durch, wenn man vom kleinen, angestrengt heiteren Epilog einmal absieht. „Das Leben“, das hier „passiert“, bricht wie ein böser Witz in den Alltag eines kurz vor der Pensionierung stehenden Ehepaares ein. Es ist ein grausam banaler Unfall, wie er auf deutschen Straßen täglich geschieht, weil zwei Menschen es für eine gute Idee halten, im Auto zu streiten, spät nachts bei strömendem Regen und schlechter Sicht. Und dann ist es eben doch mal: zu spät. Danach ist das Triste noch trister.
Eine Ansammlung erkalteter Wünsche
Was sich vorher abspielt, das ganz normale Leben, gleicht einer Anhäufung abgestorbener Träume und erkalteter Wünsche. Mit präzisen und ziemlich komischen Mikrobeobachtungen porträtiert Vollmar, von der auch das Drehbuch stammt, das merkwürdig entfremdete Vertrautsein eines seit Jahrzehnten mit-, neben- und gegeneinander eingespielten Paares. Die ständig müde Krankenschwester Rita, verkörpert von einer zermürbend unlustigen Anke Engelke, und der sensible, noch Reste von Lebenslust ausstrahlende Schuldirektor Hans (Ulrich Tukur) haben ihre Routinen und Empfindlichkeiten über die Jahre perfektioniert.
Lakonisch eingefangen von der Kamera von Daniel Gottschalk und als Kammerspiel kühl montiert von Heike Gnida, spielt das gemeinsame Haus eine große Rolle in ihrem Dasein. So sorgt Ritas Kontroll- und Sparbedürfnis für ständig verschlossene Jalousien und die zwanghafte Frage beim Verlassen des Hauses, ob der Gatte auch wirklich die Tür abgeschlossen hat. Beim Versuch, sich im Sanitär-Fachhandel neue Fliesen für das mit Doppel-Waschbecken ausgestattete Badezimmer auszusuchen, verhandeln die beiden wie bei Loriot ihr synchrones Voneinander-Genervtsein in aller Öffentlichkeit: „Meine Frau hasst es, wenn ich Kekse neben ihr kaue“, verkündet Hans Keks kauend, „ist bei Karotten genauso“. Sie wiederum lässt ihre Aggressionen am unangenehm berührten Baumarktverkäufer aus, der in den beiden nur ein weiteres älteres Paar sieht, das sich auseinander gelebt hat.
Das aufgetürmte Unausgesprochene
Vom Schauspiel über die Dialoge bis zu den wirklich liebevoll gewählten grässlichen Ausstattungsdetails im bürgerlichen Düsterhaushalt (Szenenbild: Michael Binzer) sind das alles sehr gut beobachtete Elemente nicht gelebten Lebens. Auch liegt eine unheimliche Spannung über der ganzen Szenerie, unheilvolle Vorzeichen wie bei einem Thriller werden überdeutlich platziert: Das seit Jahren im Garten brütende Entenpaar wird vom Fuchs dezimiert; Tierdokus liefern symbolträchtige Kommentare zu lebenslangen Bindungen und der nicht endenden Trauer des zurückbleibenden Partners. Das zwischen den Eheleuten aufgetürmte Unausgesprochene findet so immer wieder seinen Weg durch die Ritzen des Alltags.
Und dann ist da noch der längst ausgezogene Sohn (Lukas Rüppel). Zu Ritas Geburtstag reist er mit einem wackeren Blumensträußchen an, das bald im Müll landet. Vom abholenden Vater am Provinzbahnhof über den Blick ins einstige Jugendzimmer, in dem die Zeit Staub angesetzt hat, bis zum Restaurantbesuch mit zähem Schnitzel und peinlicher Konversation, fällt es ihm zunehmend schwer, sich für das Durchschnitts-Elternpaar zu erwärmen. Und doch ist dieses Alter eigentlich interessant, in dem aus Kinderperspektive die Gebrechlichkeit „alter Eltern“ noch weit entfernt scheint und man sich noch ein wenig postpubertären Trotz erlauben kann; und in dem aus Sicht der Älteren noch die Chance besteht, etwas zu wagen und einander neu kennenzulernen.
Was auf manche Paar-Menschen wartet
In diesem Nichtmehr und Nochnicht zu verbleiben, schafft Anke Engelke mit bestürzender Brillanz. Ihr gelingen auch umso erstaunlichere Augenblicke des Bei-sich-Seins, in denen die Möglichkeit von Glück aufscheint. Etwa wenn sie im Schwimmbad ihre Bahnen zieht und plötzlich anlasslos lächelt; oder wenn sie mit ihrer Freundin (Maria Hofstätter) ein paar Sätze lang mehr Nähe erlebt als im Verhältnis zu ihrem Mann, in der nächsten Sekunde aber deren Fürsorge („Du bist zu viel allein“) brüsk mit dem Satz abweist: „Ich bin gern allein“.
Trotz einer Art Aufbruchsbehauptung aus dem Off verharrt der Film letztlich aber in seinem Befund, dass von einem gewissen Alter an für manche Paar-Menschen vom Leben nicht viel mehr zu erwarten ist, als nebeneinander zu verbittern und irgendwann den anderen zu betrauern. Die Frage ist, ob man für diese Erkenntnis einen Film ansehen muss, der dem weder etwas hinzuzufügen hat noch die analysierte Situation selbst wirklich aushält.





