- RegieEllen Kuras
- ProduktionsländerVereinigtes Königreich
- Produktionsjahr2024
- Dauer120 Minuten
- GenreDramaKriegsfilmHistorie
- AltersfreigabeFSK 12
- IMDb Rating6.4/10 (486) Stimmen
Cast
Vorstellungen
Filmkritik
„It’s just pictures“, Bilder, nicht mehr. An einem Tag im Jahr 1977 wird die Fotografin Lee Miller in ihrem Wohnhaus, dem Farley Farm House im englischen Chiddingly, von einem jungen Journalisten aufgesucht. Er möchte mehr über die Geschichten hinter den Bildern erfahren. Miller, die von ihrer Alkoholsucht gezeichnet ist, gibt sich zunächst einsilbig. Doch dann kommt sie bei unzähligen Zigaretten und Drinks doch ins Reden.
Vom Mannequin zur Reporterin
Die künstlerische Biografie von Lee Miller ist von Brüchen und Diskontinuitäten gezeichnet. Surrealismus, Mode-, Porträt-, Reisefotografie und Kriegsberichterstattung stehen, zumindest auf den ersten Blick, recht unverträglich nebeneinander. Über ihre Tätigkeit im Dienst der US-Army war lange Zeit wenig bekannt, denn bis auf einige Reportagefotos, die in der US-amerikanischen und britischen „Vogue“ publiziert wurden, gelangte nur wenig an die Öffentlichkeit. Das Werk von Lee Miller war zunächst von den Bildern überlagert, die andere von ihr machten: der Surrealist Man Ray oder Edward Steichen, der sie als Mannequin für die Titelseiten der New Yorker Modezeitschriften fotografierte. Miller war außerdem als die „Frau in Hitlers Badewanne“ bekannt. Nach der Einnahme Münchens am 30. April 1945 fotografierte der „Life“-Fotograf David E. Scherman seine Kollegin in Hitlers Münchener Privatwohnung am Prinzregentenplatz.
Erst Ende der 1990er-Jahre, lange nach Millers Tod 1977, fand ihr Sohn Antony Penrose, heute Direktor des Lee-Miller-Archivs, den Großteil der Kriegsfotografien auf einem Dachboden. Die Fotografin Miller wurde neu entdeckt. Es folgten zahlreiche Ausstellungen und Publikationen – und mit „Die Fotografin“, dem Spielfilmdebüt der Kamerafrau und Dokumentarfilmerin Ellen Kuras, nun das erste Biopic.
Der Film beginnt Ende der 1930er-Jahre an der französischen Küste. Miller, mehr als legendäres Ex-Modell denn als Fotografin bekannt, hat keine Lust mehr, „Bild zu sein“. Im Kreis ihrer Künstler:innenfreunde, darunter der Dichter Paul Éluard und seine Frau Nusch – verbringt sie ihre Tage mit intensiven Gesprächen und Müßiggang. Dabei lernt sie ihren zukünftigen zweiten Ehemann, den britischen Künstler und Autor Roland Penrose, kennen.
Say „Blitz“, nicht „Cheese“
Bilder von Hitler, der sich von jubelnden Massen feiern lässt, prägen die Wochenschauen, aber noch denkt niemand an Krieg. Als Lee Miller, die Penrose nach London gefolgt ist, unter der Redakteurin Audrey Withers bei der britischen „Vogue“ als Fotografin zu arbeiten beginnt, lautet die Regieanweisung zum Lächeln bereits „Blitz“ (und nicht „Cheese“).
Die Schauspielerin Kate Winslet ist in der Rolle der „Fotografin“ das Zentrum eines solide erzählten, aber über weite Strecken etwas unspezifisch bleibenden Films. Das wiederholte Zurückspringen in die Rahmenhandlung, die am Ende einen doppelten Boden aus dem Hut zaubert, verstärkt dabei nur das Formelhafte, Behäbige. Erst mit dem Ausbruch des Krieges verbindet sich die Figur stärker mit dem Kontext, wird der Kontext mehr als eine bloße Hintergrundbebilderung.
Ellen Kuras hat sich vor allem darauf konzentriert, die Fotografien von Lee Miller szenisch einzubetten, etwa ihre Aufnahmen von Models in den Trümmern der zerstörten Stadt nach dem „London Blitz“, in denen sich der Abschied von der Modefotografie bereits ankündigte und ein Interesse an der zeitgeschichtlichen Reportage durchschien. Ab diesem Punkt konturiert sich auch Kuras’ feministische Perspektivierung etwas klarer.
Befreiung von Rollenmustern
Ihren Platz als Kriegsfotografin, der auch eine Befreiung von traditionellen Rollenmustern bedeutete, musste sich Lee Miller mühsam erkämpfen. Ihre Anträge, an der Front fotografieren zu dürfen, wurden mehrfach abgewiesen; Frauen waren im militärischen Bereich nicht zugelassen. Als US-Amerikanerin konnte sie sich schließlich über die US-Armee akkreditieren. 1944 fotografierte sie in den Lazaretten in der Normandie und im befreiten Paris als Kollaborateurinnen gebrandmarkte Frauen; ein Jahr später in den gerade befreiten Konzentrationslagern Buchenwald und Dachau. Leichenberge, Knochenberge, bis zum Skelett abgemagerte Häftlinge, ein vor Angst erstarrtes Mädchen in einer Baracke. Es ist paradox, dass „Die Fotografin“ ausgerechnet in den Momenten des größten Schreckens etwas mehr zum Leben erwacht. Die „Vogue“ druckte diese Bilder damals nicht.