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Filmkritik
Die Geschichten, die Regisseur Markus Goller und sein Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg in „Die Ironie des Lebens“ erzählen, handeln von abwesenden Vätern und vom Komischen im Todtraurigen. Vor Sentimentalitäten schrecken die beide dabei grundsätzlich nicht zurück. Doch seit ihrem ersten großen Erfolg, dem Road Movie „Friendship!“ (2010), haben die zugleich als Produzenten-Duo auftretenden Filmemacher in „25 km/h“ (2018) und zuletzt in „One for the Road“ (2023) ihre Vorliebe für leichtfüßig erzählte Abgründe inzwischen zu ihrer Marke entwickelt – und zu einer im deutschen Kino seltenen Kunst verfeinert: Vorhersehbarkeiten so darzustellen, dass sie sich trotzdem überraschend anfühlen.
Reibung statt Rührseligkeit
Das liegt zum großen Teil an Ziegenbalgs Sprache und Gollers Herkunft vom Schnitt, aber zugleich auch daran, dass sie als ihre eigenen Produzenten in der Besetzung, der Musikauswahl und an einer gerade im Komödienfach oft vernachlässigten Figurenarbeit ihren Vorlieben folgen können. Denn wer hätte gedacht, dass in „Die Ironie des Lebens“ die spröde Wärme einer Corinna Harfouch mit der kasperlhaften Bulligkeit von Uwe Ochsenknecht zusammenpasst? Diese ebenso überraschende wie einleuchtende Besetzung gibt dem Drehbuch auch dort Reibung, wo es in Rührseligkeit abrutschen könnte.
Sterben muss ich ja sowieso, sagt Harfouch recht früh im Film und bringt damit die unbestreitbarste, aber am stärksten verdrängte Vorhersehbarkeit des Lebens auf den Punkt. Mit dieser Erkenntnis beginnt alle Philosophie, aber sie ist auch ein guter Anfang für eine Tragikomödie. Harfouch spielt Eva, die Ex-Frau des alternden Comedy-Stars Edgar (Ochsenknecht). Seit 25 Jahren waren sie nicht in Kontakt; auch ihre beiden erwachsenen Kinder, die kindlich-fröhlich wirkende Melli (Emilia Schüle) und der verknöcherte, fast frühvergreiste Patrick (Robert Gwisdek), sprechen schon lange nicht mehr mit Edgar. Patrick kann als Mathe- und Physiklehrer genau beziffern, wie groß die Chancen auf Versöhnung mit dem Vater sind: „gleich Null“.
Es warten nur Hund und Haushälterin
Edgars Welt mag geografisch groß sein, doch sie ist so beschränkt und kalt wie auf einem Gemälde von Edward Hopper. Zwischen dem Scheinwerferlicht, der schicken Leere von Hotelzimmern und der eigenen Luxusbehausung, wo nur Hund und Haushälterin auf ihn warten, wird diese Sphäre schon im Vorspann mit lässig rasanten Schnitten vermessen und das Interesse an dieser Figur geweckt: Ist Edgar Großkotz oder armes Würstchen? Harter Knochen oder sensibles Seelchen? Was verraten die Furchen im Gesicht, was das wässerige Blau der Augen?
Würde Edgar sich nicht selbst täglich einreden, was für ein toller Typ er ist, und die restliche Ablenkungsarbeit dem exzessiven Onlineshopping überantworten: Die Angst vor Verfall und Einsamkeit hätten ihn längst zerstört.
Eva führt der Film als diejenige ein, die sie mutmaßlich auch schon während ihrer Ehe war: als Zuschauerin, die halb amüsiert diesem Mann applaudiert. Nun sitzt sie tatsächlich in Edgars Show und schmunzelt über Witze auf ihre Kosten wie etwa: „Was ist der Unterschied zwischen meiner Ex und einem Tumor? Der Tumor kann auch gutartig sein.“ Sie kommt danach in seine Garderobe und informiert den in sprachlose Schockstarre verfallenden Edgar in freundlich pragmatischem Ton über ihren baldigen Tod. Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. Sie will keine Behandlung, aber noch ein paar schöne Wochen. Und die Dinge so regeln, dass sie ohne Angst sterben kann.
Gerettet werden muss also in erster Linie nicht die Todgeweihte, sondern die künftige familiäre Nachwelt. Wie in vielen anderen Familienzusammenführungsdramen bringt die tödliche Diagnose auch hier alles durcheinander und dann so in Ordnung, wie es nie zuvor war.
Das ist so vorhersehbar wie gut anzusehen. Ochsenknecht beherrscht die theatrale Geste ebenso wie die Feinheit eines für die Großaufnahme zurückgenommenen wortlosen Spiels. Auf Evas bevorstehenden Tod reagiert er mit Abwehr und Aktionismus. „Narzisstisch“ nennt Eva das sanft, mit routiniert-gütiger Genervtheit. Überhaupt zerstört Harfouchs Nüchternheit so manche Kitschfalle, die im ansonsten mit schönen One-Linern aufwartenden Drehbuch lauert.
Er ist Fahrer, er fährt
Elliptische Montagen und differenzierte Kameraeinstellungen (Bildgestaltung: Torsten Breuer) bis hin zur traumartig verschwommenen Videoclip-Ästhetik nach Genuss mikrodosierten LSD-Mundsprays am Strand von Sylt bürsten die Geschichte kurzweilig gegen den Strich. Auch die Nebenbesetzung ist gut überlegt: Henning Peker als Edgars stiller, langjähriger Chauffeur Kurti trägt längst selbst Züge eines traurigen Clowns. Jede Figur ist für sich interessant genug, um über manche dramaturgische Holprigkeit hinwegzuhelfen, etwa wenn Kurti seinen Gehorsam auch dann nicht ablegt, wenn Edgar sturzbetrunken ins Fernsehstudio will. Andererseits: Er ist Fahrer, er fährt Edgar. Es ist sein Leben.
Selbst fragwürdige Requisiten werden rehabilitiert und erhalten ihre Würde: sei es eine „Klaviermatte“, die Edgar nachts beim Onlineshopping entdeckt und die bei der bislang unbekannten Sippschaft für unverhoffte Freude sorgt. Oder sei es die von Melli ins Spiel gebrachte Möglichkeit, nach dem Tod die Asche in eine Vinylplatte zu verwandeln, also „Musik zu werden“. Dass Eva dabei „Cosmic Dancer“ von „T. Rex“ vorschwebt, sorgt für ein schönes Déjà-vu, sang doch auch Sandra Hüller im Abspann von „Sisi & Ich“ dieses Lied vom Sich-Hineintanzen ins Leben und in den Tod.
Die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen
Doch Goller und Ziegenbalg sind nicht Frauke Finsterwalder; bei ihnen ist es immer ein paar Grad netter, und deshalb singen Ochsenknecht und Harfouch am weißen Flügel dann auch noch obendrein den „Ton Steine Scherben“-Song „Halt dich an deiner Liebe fest“. Das ist zum Glück eine Spur Emotionalitätsexzess zu viel, um tränenblind gerührt zu sein.
Nebenbei, auf der B-Seite gewissermaßen, ist „Die Ironie des Lebens“ auch eine freundliche Entthronung misogyn-männlicher „Kennste“-Comedy zugunsten töchterlicher Emanzipation und weiblicher Freiheit. Edgars angestrengte und anstrengenden Späße machen allzu deutlich, dass sie nur der Abwehr der eigenen Hinfälligkeit dienen und zudem irgendwann zahnlos geworden sind: Weil sie statt der Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, nur den Drang trainieren, sich über andere zu erheben. Edgar muss selbst Publikum werden und zuhören. Denn was seine Tochter Melli am Schluss im Kellerclub zum Besten gibt, ist tatsächlich lustig. Nicht, weil ihre Witze den ungenügenden Vater vernichten, sondern weil sie sich durch etwas befreit, das in den letzten Jahren aus der Mode gekommen ist: Selbstironie.