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Filmkritik
Orson Welles verfilmte „Der Prozess“ in Schwarz-weiß, Michael Haneke und Alexej Balabanow interpretierten „Das Schloss“. „Die Verwandlung“ erfreut sich gleich mehrfacher Adaptationen – die Liaison von Franz Kafka und dem Kino reicht weit zurück, bis in seine eigenen ausgiebigen Kinobesuche. In Steven Soderberghs „Kafka“ geriet schließlich seine Biografie ins Visier. Der US-Amerikaner besetzte den Prager Schriftsteller mit einem Doktortitel in Jura mit Jeremy Irons und inszenierte ihn als dünnlippigen Versicherungsangestellten, der bei Tag tippte und bei Nacht schrieb. Statt sich an seinen Lebensstationen aufzuhalten, schickte Soderbergh seinen Kafka in eine absurde Handlung wie aus einem seiner Romane und durch labyrinthische Büro- und Schlosswelten.
Zuletzt versuchte sich die ARD in einer sechsteiligen TV-Serie mit Joel Basman in der Hauptrolle an dem Lebenslauf des jeden Bissen seiner spärlich eingenommenen Mahlzeiten vor dem Schlucken gründlich durchkauenden Sonderlings, der mit seinen Marotten die Angehörigen seines Literatenkreises zum Lachen brachte und seinen patriarchalen Vater zu Wutausbrüchen. Diesem Narrativ eines exzentrischen, aber durchaus sozial eingebundenen Vegetariers, der fast manisch Briefe schrieb und in Sanatorien nackt lebensreformerischem Sonnenbaden frönte, folgt auch das Biopic „Franz K.“ von Agnieszka Holland, die 1981 bereits „Der Prozess“ für das polnische Fernsehen adaptierte.
Das Publikum wird direkt angesprochen
Sie hat sich für einen unchronologischen, kaleidoskopischen Montagefilm mit Ausflügen in Kafkas heute von Touristen überflutete Heimatstadt entschieden, die den Kult um den introvertierten, deutsch-jüdisch-tschechischen Autor merkantil mit Museum, Stadtführungen und Kafka-Burgern auszuschlachten weiß. Wie in der ARD-Serie fungiert die Figur von Kafkas Freund Max Brod (hier gespielt von Sebastian Schwarz) als indirekter Erzähler, der mit seinem Freund ins Bordell geht, ihn von seinen Zweifeln zu befreien versucht und als Nachlassverwalter im Sinne des Verstorbenen versagt, weil er Kafkas Schriften nach seinem Tod nicht wie angewiesen vernichtet, sondern auf der Flucht vor den Nazis mit nach Palästina nimmt. Die zweite Bezugsperson ist Kafkas Schwester Ottla (Katharina Stark), die ihn stets in Schutz vor dem autoritären Vater (Peter Kurth) nimmt und, wie auch viele andere Nebenfiguren, das Publikum direkt in die Kamera schauend anspricht, um ihre Sicht auf den Bruder und seine komplizierten Beziehungen zu Frauen kundzugeben.
Sein eintöniges Arbeits- und Privatleben kontrastiert mit Kafkas literarischer Originalität, die ihm immer wieder von Ottla und seinen Freunden attestiert wird, während die Besucher seiner Lesung von „In der Strafkolonie“ entsetzt davonlaufen. Leider vertraut Holland nicht auf die Fantasie der Hörer von Kafkas seltsam enthusiastischer Vortragsweise, sich den schauderhaften Inhalt der Erzählung selbst auszumalen. Sie stellt ihn in einer ausufernden Folterszene blutig und minutiös nach, in allen Details eines strafenden Apparats, der sich in den Rücken der Verurteilten buchstäblich einschreibt. Dieser wenig subtile Horror-Rückgriff verkürzt Kafkas prophetische Unterdrückungsvisionen leider auf simple Schaueffekte.
Ein intensiv fühlender Melancholiker
Besser gelingen ihr die hin und her springenden Schnitte durch die Jahrzehnte, vom mit seiner hektischen Familie fremdelnden Kind bis zum Blut spuckenden Todgeweihten, der in seinem Arbeitszimmer von Augen beobachtet wird, die von den Besuchern seines fiktiven Museums stammen. Auch die Besetzung Kafkas mit Idan Weiss und die von Peter Kurth als Vater Hermann Kafka ist ein Glücksgriff. Beide tragen erheblich dazu bei, ihre Figuren mit einem Innenleben auszustatten, das konträrer nicht sein könnte. Weiss schafft es zudem, Kafka als intensiv fühlenden Melancholiker zu deuten, zugleich verspielt und zärtlich gegenüber Freunden und Geliebten.
Ein beträchtlicher Teil der Filmzeit ist der gequälten Beziehung zu Felice Bauer (Carol Schuler) gewidmet, der in Berlin lebenden Verwandten Brods, der Kafka einen Heiratsantrag machte. Kurz bevor ihre Verlobung bekannt gegeben werden sollte, verliebte sich Kafka in Felices beste Freundin Grete Bloch. Eine halbwegs, auch sexuell, glückliche Affäre geht er mit der verheirateten Journalistin Milena Jesenska ein, die sich aber nicht von ihrem Mann trennen wollte. Die Zeit nach Kafkas Tod kommt in wenigen Szenen vor, wenn Brod etwa in einer Straßenbahn seine Manuskripte transportiert und dabei von Gestapo-Männern um ein Streichholz gebeten wird. Danach sieht man Ottla auf dem Bahnhof auf den Deportationszug warten.
Unbekanntes sucht man vergeblich
Das reicht zwar aus, um die Schrecken des Faschismus, den Kafka vorhergesagt hat, auf den Punkt zu bringen, man hätte sich aber doch auch mehr Reflexion über seine visionären Klassiker gewünscht, statt der mitunter allzu behäbig inszenierten Liebesgeschichten und sich wiederholenden Szenen schrulliger Kollisionen mit gesellschaftlichen Konventionen. Unbekanntes und wenig Erforschtes sucht man vergeblich, und manch eine surreale Szene grenzt an die Karikatur einer Ikone der Moderne mit dem Ziel, kurzweilige Unterhaltung für Kafka-Anfänger statt anspruchsvollen Tiefsinn zu bieten.
