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Filmkritik
Teresa (Galatéa Bellugi) ist die Magd des in, einem von der Kirche geführten Musikinternat für Waisen und mittellose Mädchen. Die junge blonde Frau mit den großen, forschenden Augen verrichtet Anfang des 19. Jahrhunderts die niederen Arbeiten in der Einrichtung und kümmert sich um die kleinen Kinder des Ortes, obwohl sie nicht sprechen kann. Deshalb wird sie nur „die Stumme“ genannt und gilt als schwachköpfig.
Doch Teresa ist alles andere als dumm. Zudem verfügt sie über eine instinktive musikalische Begabung. Mit ihrem inneren Ohr empfindet sie überall Rhythmen und Musik und bindet diese in ihre Arbeit ein. Mit den Internatsschülerinnen, die stets in blaue Stoffkleider gehüllt sind und von dem herrischen Kapellmeister Padre Perlina (Paolo Rossi) unterrichtet werden, hat Teresa wenig zu tun. Doch das ändert sich, als sie im Keller ein Pianoforte entdeckt. Die junge Frau erforscht das Instrument und spielt nachts darauf, bis die anderen Mädchen die Klänge hören und zu ihr stoßen. Bald entbrennt ein Streit, wer wie lange auf dem kostbaren Instrument spielen darf.
Ein Konzert für den neuen Papst
Dabei stellt sich auch heraus, dass Teresa durchaus sprechen und sich gegen die eingebildete Internatsschülerin Lucia (Carlotta Gamba) durchsetzen kann, die sie von oben herab behandelt. Lucia hat schon etliche Musikstücke komponiert, was bald wichtig wird. Denn der neugewählte Papst wird demnächst Sant Ignazio besuchen. Ihm zu Ehren soll es ein Konzert gegeben. Als Komponist ist der Kapellmeister vorgesehen, doch der leidet unter einer Blockade. Außerdem behandelt er Teresa besonders schäbig und lässt sie nicht mit dem Jungen des Gouverneurs spielen, für den sie eine besondere Zuneigung empfindet.
Vor dem Besuch des Papstes überschlagen sich die Ereignisse. Teresa kann durch die Hilfe der Frau des Gouverneurs ihre Zwangsverheiratung verhindern, Lucia begeht eine Verzweiflungstat aus Liebeskummer, und das Konzert steht bevor – allerdings ohne geeignetes Musikstück. Werden die Mädchen kompositorisch einspringen können?
Gleich zu Beginn gibt Regisseurin Margherita Vicario eindrucksvoll ihr musikalisches und gesellschaftskritisches Credo vor. Sie inszeniert eine rhythmisch fulminante Szene, in der in Teresas Kopf beim Arbeiten mit den anderen Bediensteten beim Waschen, Fegen und Kochen eine mitreißende Musik entsteht. Die Tätigkeiten mit ihren kratzenden und knarzenden Geräuschen und ihren Bewegungen verschmelzen in einer akzentuierten Choreografie, aus der ein Spektakel mit alternativer Musik erwächst. Dieses gipfelt in den klassischen Klängen eines Konzerts der Musikschülerinnen mit ihren Instrumenten.
Auffällig ist, dass es sich nicht ausschließlich um Musikstücke der Zeit um 1800 handelt, in welcher der Film spielt. Einflüsse aus der zeitgenössischen Popmusik werden ganz selbstverständlich eingebunden, was im deutlichen Kontrast zu den sorgfältig nachgestellten Kostümen sowie den historischen Kulissen steht. So erweist sich „Gloria!“ als Historienfilm mit gewollten Anachronismen. Diese speisen sich aber nicht nur aus Pop, Rap und Gospel, sondern entstehen auch daraus, dass hier eine moderne Emanzipationsgeschichte um junge Frauen, die sich gegen patriarchale Bevormundung zur Wehr setzen, zurückprojiziert wird auf die Zeit vor über 200 Jahren.
Mit feministischer Agenda
Es sind der Gouverneur und der Kapellmeister, die unter einer Decke stecken und Teresa in der Vergangenheit übel mitgespielt haben. Während der Gouverneur sich staatsmännisch gibt, macht Padre Perlina aus seiner Verachtung für die Mädchen keinen Hehl. Sobald sie auf ihre musikalischen Talente verweisen oder ihm ihre Hilfe anbieten, beschimpft er sie auf Übelste und stets mit dem Verweis auf ihr angeblich minderwertiges Geschlecht. So verfolgt „Gloria!“ auch eine feministische Agenda und macht auf den landläufigen Missbrauch aufmerksam, dem Frauen ausgesetzt waren – mit ungewollten Kindern oder Zwangsadoptionen. Außerdem würdigt er die vielen Musikerinnen der Epoche, die über eine umfangreiche Ausbildung und kompositorische Fähigkeiten verfügten und Großes geleistet haben, jedoch von der Geschichtsschreibung lange weitgehend vergessen wurden.
Auch die verheerenden napoleonischen Kriege und ihre Auswirkungen auf Familien werden erwähnt, genau wie die Einweisung von verwaisten oder halbverwaisten Mädchen in Institutionen wie die von Sant Ignazio, wo sie nur als Verhandlungsmasse betrachtet werden. Die Mädchen träumen von Liebe und Selbstbestimmung, haben von der Welt aber noch nie etwas gesehen. Der Film spielt fast ausschließlich in der Klosterschule, in Zimmern, der Kapelle oder im Hof. So vermittelt sich eine Klaustrophobie, welche die Mädchen geballt spüren und die auch den Zuschauer:innen ihre Ohnmacht und Abhängigkeit vermittelt.
Die Macht der Musik
„Gloria!“ schildert die zunehmende Solidarität der Frauen untereinander und konstruiert schließlich eine Fabel, was hätte sein können, wenn man es Frauen erlaubt hätte, sich zu entfalten. Nebenbei verteilt der Film ein paar Seitenhiebe auf katholische und politische Würdenträger, die sich auch als Anspielungen auf bis heute bestehende Verhältnisse aufdrängen. Im Kern aber feiert „Gloria!“ die Macht der Musik und entwirft einen Klangteppich zwischen Klassik und Pop, der inmitten der malerischen historischen Dekors eine besondere Wucht entfaltet.