- RegieLarry Locke
- ProduktionsländerVereinigte Staaten
- Produktionsjahr2022
- Dauer87 Minuten
- GenreDokumentation
- Cast
- IMDb Rating9.0/10 (41) Stimmen
Vorstellungen
Filmkritik
Um sein Stimmvolumen voll auszunutzen, hätte Willy DeVille eigentlich höher singen müssen. Der US-Musiker entschied sich für eine Tonlage, die zwar weniger kraftvoll sein mag, dafür aber perfekt auf seine Bühnen-Persona zugeschnitten ist: den ebenso verwegenen wie romantischen Außenseiter und Rebellen.
Die Dokumentation „Heaven Stood Still: Musik und Leben des Willy DeVille“ porträtiert einen Showman, der seine Kunstfigur so lange spielt, bis er sich in sie verwandelt. Damit ihm das gelingt, musste DeVille konsequent in seiner eigenen Welt bleiben. Bereits bei einem frühen Konzert, das er Ende der 1970er-Jahre mit seiner Band Mink DeVille im sagenumwobenen New Yorker Punkclub CBGB spielte, wirkt sein nostalgischer Blues-Rock völlig aus der Zeit gefallen.
Nie so berühmt, wie er verdient hätte
Der Film von Larry Locke folgt einem schlichten chronologischen Konzept, mit dem er die Karriere des 2009 an Krebs verstorbenen Musikers mit Archivmaterial und redseligen Weggefährten Revue passieren lässt. Neben ehemaligen Bandmitgliedern kommen auch Soul-Legende Ben E. King, „Talking Heads“-Drummer Chris Frantz, Songwriter und Komponist Jack Nitzsche sowie Produzenten-Tausendsassa Hal Willner zu Wort. Als kleinster gemeinsamer Nenner erweist sich dabei nicht nur das musikalische Genie DeVilles, sondern auch die Überzeugung, dass der aus der Arbeiterklasse stammende Schulabbrecher, der gerne mit seinen eher rudimentären Latino-Wurzeln kokettierte, nie so berühmt wurde, wie er es verdient hätte.
Zentral für den Film ist deshalb auch die Suche nach Anerkennung. Der Film argumentiert, dass Willy DeVille ein Sänger war, der von Kritikern und anderen Musikern geschätzt wurde, dem der große kommerzielle Erfolg aber versagt blieb. Als Beweisführung erzählt ein Bandmitglied, wie Sting und Neil Young einst auf einem Konzert von DeVille gesichtet wurden. Dass in ihren Gesichtern nicht nur bloße Wertschätzung, sondern gar Bewunderung zu sehen war, stehe für ihn außer Frage.
Eine fast tragische Figur war DeVille, weil er sich für die Musik und sein exzentrisches Künstlerleben interessierte, aber wenig Sinn fürs Geschäft hatte. Bevor sich sein Label Capitol Records wegen angeblich unvermarktbarer Musik von ihm trennte, tauschte es den Großteil der Band-Mitglieder gegen eigene Studiomusiker aus. Später kämpfte der mittlerweile solo musizierende DeVille neben Drogenproblemen auch mit finanziellen Sorgen.
Selbstbewusste Frauen, die ihm den Rücken freihielten
Zumindest indirekt legt „Heaven Stood Still“ nahe, es könne DeVilles Freundinnen zu verdanken sein, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist. Konsequent zog es ihn zu selbstbewussten, konfrontativen, vielleicht auch autoritären Frauen hin, die ihm den Rücken freihielten und damit seinen entrückten Lebensstil erst möglich machten.
Mit solchen Interpretationen und Zuspitzungen hält sich der Film allerdings zurück. „Heaven Stood Still“ hat eine spannende Biografie als Rohmaterial, formt sie jedoch nie zu einer tiefergehenden Erzählung. Strukturiert ist die Dokumentation lediglich lose durch musikalische Höhepunkte: das eigensinnige Paris-Album „Le Chat Bleu“ etwa, das lateinamerikanisch geprägte „Where Angels Fear to Tread“, der „Oscar“-nominierte Song „The Storybook Love“ für Rob Reiners Film „Die Braut des Prinzen“ oder die New-Orleans-Hommage „Big Easy Fantasy“.
Während Locke die Fakten in der Manier eines Wikipedia-Eintrags herunterspult, zeigt er sich neben generischen Lobhudeleien und überraschend kurzen Musik-Clips wenig daran interessiert, Außenstehenden die besondere Faszination von DeVille zu vermitteln. So bleibt „Heaven Stood Still“ vor allem ein wenig ambitioniertes Projekt für Eingeweihte, die nicht mehr bekehrt werden müssen. Holprig werden dabei mitunter die Themen gewechselt oder auch einfach abgeblendet, wenn dem Film keine passende Überleitung einfällt. Letztlich verliert sich der Film in Anekdotischen – auch wenn darunter durchaus ein paar interessante Geschichten sind, etwa über über DeVilles unberechenbare Ex-Freundin Toots oder einen Gig, der beinahe am Heroinkonsum des Musikers gescheitert wäre.