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Filmkritik
„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Hauses von Gucci!“ Es sind große Worte, die die junge Patrizia Reggiani (Lady Gaga) wählt, um Familie und Firma Gucci ihrer unverbrüchlichen Solidarität zu versichern und als Aufsteigerin aus kleinbürgerlich-krämerischen Kreisen endlich im inneren Zirkel akzeptiert zu werden.
Man sollte aber stets sorgfältig auf das achten, was man sich wünscht: Es könnte in Erfüllung gehen! Gerade hat die mit gesundem Selbstbewusstsein und einem sehr robusten Ehrgeiz gesegnete junge Frau in „House of Gucci“ einen der Haupterben des traditionsreichen italienischen Modeimperiums, Maurizio Gucci (Adam Driver), geehelicht, schon lässt sie niemanden mehr darüber im Unklaren, dass sie für sich eine größere Rolle reklamiert, als bloß still in Dekor und Kulisse zu walten. Sie denkt strategisch und erkennt bald, dass ihr aus den Reihen der dekadenten, untereinander zerstrittenen Mitglieder des Hauses Gucci wenig Widerstand erwachsen wird. Einer Lady Macbeth gleich spornt sie ihren zaudernd-intellektuellen, Entscheidungen und entschlossene Handlungen vermeidenden Gatten zu einigen erfolgreichen Coups an – bis zu beider finalem Untergang.
Episches Stil- und Zeitgeist-Panorama
In dem von Ridley Scott inszenierten Stil- und Zeitgeist-Panorama lernt man den Jurastudenten Maurizio als braven, etwas weltfremden Sohn aus höherem Hause kennen. Sein sich aristokratisch gebender Vater Rodolfo (Jeremy Irons) blickt zwar mit leiser Verachtung auf die jüngere Generation, kann aber im Großen und Ganzen zufrieden sein. Bis ihn sein Sohn erstmalig mit einer eigenen Entscheidung konfrontiert, nämlich der, die nicht standesgemäße Patrizia, die ihn auf einer Party aufgegabelt hat, sogleich ehelichen zu wollen. Bald will Rodolfo von den Geschäften nichts mehr wissen und zieht sich zu königlichem Sterben zurück.
Jetzt gibt es nur noch Maurizios Onkel Aldo (Al Pacino) und den für seine enorme Talentlosigkeit allzu exzentrischen Cousin Paolo Gucci (Jared Leto), die dem längst erklärten Ziel von Patrizia Gucci, die hundertprozentige Kontrolle über das Familienunternehmen zu erhalten, noch entgegenstehen. Sie setzt alles daran, die beiden in Misskredit zu bringen, unter anderem mit Hilfe einer hexenhaften Wahrsagerin (Salma Hayek). Mit Erfolg: Aldo wandert wegen Steuerdelikten in den USA in den Knast, und Paolo wird sowieso von niemandem ernst genommen; Patrizia und Maurizio versuchen mehrfach, ihm sein Geburtsrecht um ein Linsengericht abzuhandeln.
Die Zeit ihres gemeinsamen Erfolgs währt aber nur kurz. Auch die Geschichte des Hauses der Gucci, die Scott als Opera buffa um bunte Stoffe und zähes Leder inszeniert, folgt den Regeln der Familiensagas von „Buddenbrooks“ bis „Der Pate“: Wenn das Haus fertig ist, kommt der Tod oder der Abstieg.
Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis; diese tiefe Einsicht bleibt vor allem Patrizia verborgen. Den rapiden Stilwandel der 1980er-Jahre vermögen beide nicht zu erkennen und zu gestalten; der Umsatz bröckelt, und der hochluxuriöse Lifestyle der Gucci tut ein Übriges. 1988 verkauft Maurizio mit Hilfe eines gewieften Beraters (Jack Huston) einen Großteil seiner Aktien an die Investcorp-Holding, und bald darauf führt der junge Texaner Tom Ford (Reeve Carney) Regie bei Gucci.
Plagiate und ihr verkanntes Potenzial
Maurizio ist zunehmend befremdet von den beharrlich bürgerlichen Instinkten seiner Frau, immer mehr und mehr zu wollen, und wendet sich Freunden und einer Freundin (Camille Cottin) aus seiner Klasse zu; die Ehe zerbricht und wird schließlich geschieden.
Sieht man sehr genau hin, offenbart sich hier einer der wenigen originellen und konsistenten Motivfäden des ansonsten äußerst zähflüssigen Drehbuchs von Becky Johnston und Roberto Bentivegna. Hatten sich früher schon die toskanischen Edelleute, auf die sich die Guccis hochstaplerischerweise zurückführen, im Feudalismus ständig bekriegt, schreibt der Film die Geschichte des modernen Kapitalismus als eine des universellen Verrats fort – an Menschen, Ideen und Überzeugungen. Bezeichnend ist die Szene, in der die versammelte Familie Gucci einerseits fassungslos vor dem Phänomen der zunehmenden Plagiate und Produktfälschungen steht, sich auf der anderen Seite aber als unfähig erweist, das ungeheure Potenzial zu erkennen, das sich darin – getreu dem Oscar-Wilde-Diktum „Imitation ist die aufrichtigste Form der Schmeichelei“ – offenbart.
Das Ende ist pure Verzweiflung: Im Film heuert die tief gekränkte Patrizia zwei Auftragskiller „aus Sizilien“ an, die den nichtsahnenden Maurizio blutig richten; sie selbst büßt lange Jahre im Gefängnis. Armer Paolo! Einmal hatte er eine zündende Idee („Braun – und Pastell!“), die niemand hören geschweige denn sehen will, dann bootet ihn die eigene Familie aus, und schließlich rollt das Make-over der Marke, auch bekannt als Porn Chic Revival, über ihn hinweg; er stirbt 1995 mittellos in London. Dies ist auch das Ende des Hauses der Gucci; aktuell ist kein Familienmitglied an der Firmenführung beteiligt.
Kein dezidierter Modefilm
Dem luxuriös zusammengestellten Schauspielerensemble ist kein Vorwurf zu machen, mit der unrühmlichen Ausnahme der völlig überzogenen Darstellung von Jared Leto. Lady Gaga schlägt sich achtbar in der abendfüllenden Rolle, und Adam Driver meistert die seine mit Leichtigkeit; es wird ihm allerdings auch allzu wenig abverlangt. Pacino erfindet sich völlig neu. Im Wesentlichen präsentieren die Protagonisten edle Roben und Accessoires zu Dialogen mit wenig Tiefgang; ihre Geschichte und Schicksale wären von geringem Interesse, trügen sie keine berühmten Namen.
Dennoch inszeniert Ridley Scott mit „House of Gucci“ keinen dezidierten Modefilm. Die Spezifika der Branche und die Eigenart der Marke scheinen den Filmemacher seltsamerweise wenig zu interessieren; er traut offenbar der Qualität der eigenen Story nicht. Wie anders und komplexer gewebt war dagegen jüngst der Serienstoff von „Halston“ (2021)! „House of Gucci“ ist ein in Zeit und (Film-)Geschichte eigentümlich unzeitgemäßer und vor allem viel zu lang geratener Beitrag, der seine Liebhaber allenfalls in Kreisen des Camp und (unfreiwillig) Komischen finden dürfte.