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Filmkritik
„Joker: Folie à Deux“ von Todd Phillips ist in erster Linie ein Musical. Getanzt wurde aber auch schon im ersten „Joker“-Film aus dem Jahr 2019. Dort gibt es beispielsweise den Moment, in dem sich Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) von einem Clown und gescheiterten Komiker in jene titelgebende Figur verwandelt, die Leute tötet – aus Rache für all die Demütigungen, mit denen die Welt sie überzieht. Als er in einer öffentlichen Toilette alleine ist, macht er ein paar Schritte vor einem Spiegel und bewegt seinen Körper wie ein Tänzer. Am Ende von „Joker“ tanzt er in ein Fernsehstudio und läuft Amok.
Der Nachfolgerfilm, in dem sehr viel mehr getanzt wird, verhält sich zum Original wie ein Post-Skriptum oder ein Kommentar, ohne ihm wirklich Neues hinzuzufügen. Vielmehr werden die Geschehnisse aus dem ersten Film von vor fünf Jahren noch einmal aufgewärmt und erneut in Erinnerung gerufen.
Kein Joke vom Joker
Fleck/Joker sitzt mittlerweile in einer Gefängnispsychiatrie und wartet auf seinen Prozess, in dem es um die Morde aus dem ersten Film gehen soll. Überhaupt werden die früheren Motive variiert. Vor allem die scheiternde Beziehung zu einer Frau, die Joker zunächst für seine Erlöserin aus allem Elend hält, bis sich die von ihr ausgehende Gegenliebe als seine Wahnvorstellung entpuppt. Im ersten Teil handelte es sich um eine Nachbarin (Zazie Beetz), in „Joker: Folie à Deux“ um eine Mitinsassin in der Psychiatrie, gespielt von Lady Gaga, mit der Joaquin Phoenix allerlei Gesangs- und Tanznummern absolviert.
Was fehlt, ist das letzte bisschen Humor, das im ersten Teil noch vorhanden war. Die von den fiesen Wärtern Fleck spöttisch entgegengeschleuderte Frage „Hast du einen Joke für uns, Arthur?“ erreicht nur noch einen eingefallenen, katatonisch vor sich hinstarrenden Insassen, dem Joaquin Phoenix seinen spektakulär für die Rolle heruntergehungerten Körper leiht. Vom (Anti-)Komiker des ersten Films, den niemand lustig findet und aus dem stets ein unkontrolliertes Lachen herausbrach, ist nur noch ein sedierter Tänzer übriggeblieben.
Von der Bühne in die Welt
Dieser Übergang von der verkrampften Komödie zum traurigen Musical verdient dennoch Aufmerksamkeit. Das Thema des ersten „Joker“-Films war die Frage, wie in der heutigen Zeit überhaupt noch gelacht werden kann. Zum einen ist das Lachen omnipräsent, da die Clowns die Macht übernommen haben – das Phänomen Trump – und die Welt oft nur noch lächerlich ist. Gleichzeitig ist sie so grimmig, dass niemandem mehr nach Lachen zumute ist. Mit großem Ernst betonte Phillips seinen „Austritt“ aus der Komödie, dem in die Krise geratenen Filmgenre, das in Anbetracht der Weltlage seine subversiv-widerständigen Potenziale längst eingebüßt hatte.
Auf den Austritt aus der Komödie folgt in „Folie à Deux“ nun der Eintritt ins Musical. Daher auch der Bezug auf Vincente Minnelli und dessen Film „Vorhang auf!“ mit Fred Astaire und Cyd Charisse, den der Joker hier einmal auf der Leinwand sieht. „The world is a stage, the stage is a world of entertainment“, wird bei Minnelli gesungen, was eine schöne Beschreibung von dessen Kunst ist. Der Tanz animiert und belebt die Welt, er entsteht aus dem Leben und kann überall stattfinden, nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Park oder in einem Einkaufszentrum. Das Musical und seine Träume brechen aus dem Käfig der Bühne aus, um sich draußen in der Welt neu zu erfinden.
Der Eintritt als Austritt
Auch für Phillips ist der Eintritt ins Musical bereits ein Austritt aus ihm, das heißt: ein Verlassen der Bühne, eine Verlagerung des Musicals in die Welt. „Die Welt ist eine Bühne“, verspricht das Filmplakat zu „Joker: Folie à Deux“, während die Songs aus „Vorhang auf!“ immer wieder aufgegriffen und auch „draußen“ gesungen werden, etwa von Lady Gaga vor dem Gerichtsgebäude.
So gibt es in „Joker 2“ auf der Basis von Vincente Minnelli zwei Prämissen, die mit jenen des ersten Films parallelisiert werden können. Erstens: Die Bühne, das Spektakel, ist heute überall zu finden (wie bei Minnelli). Zweitens: Niemand vermag mehr zu träumen, weil die Welt zu schrecklich geworden ist (eine Art Anti-Minnelli). Was nicht zuletzt durch die kollektiven Aufstände deutlich wird, zu denen der Joker wie schon im ersten Teil die Menschen auf der Straße inspiriert.
Aus der Kombination beider Pole hätte eine verrückte Synthese entstehen können. Ein depressives Musical, in dem kollektiv und tanzend die Unlust an Tanz und Freude zelebriert wird. Eine Welt, die nur noch aus Spektakel besteht und gleichzeitig genug davon hat, weiter performen zu müssen.
Die Musicalszenen enden traurig
Ansätze zu einer Synthese sind durchaus vorhanden. Der Gerichtssaal wird zum Fernsehstudio, da der Prozess wird gefilmt. Hier zieht Joker seine Show ab, während ihm der Richter deutlich macht, dass er hier „nicht auf einer Bühne“ und der Saal kein „Comedy Club“ sei. Und auch die meist in einer phantastischen Dimension angesiedelten Musicalszenen enden traurig; in einer Nummer wird der Joker erschossen.
Anstatt Welt und Bühne aber zusammenzudenken, trennt Phillips ihre Einheit und inszeniert sehr plakativ seinen „Absprung“ aus dem (Bühnen-)Spektakel, dem Musical und dem Tanz. Die Aufstände im Film, mit denen Phillips nicht viel anfangen kann, wirken wie ein pseudopolitisches Resultat der „Revolte“ der Welt gegen das Musical, während es schwieriger und interessanter gewesen wäre, sie ins Musical zu integrieren.
Lauter Dekors und Tanznummern
Umgekehrt sind die Tanzszenen reine Fantasien des Jokers – weltfremde, isolierte Traumblasen, die mit dem Einbruch der düsteren Realität wieder zerplatzen. Daher der schleppende, vorhersehbare Rhythmus, in dem Bühne und Welt, Traum und Wirklichkeit getrennt bleiben und zwischen beiden hin- und hergesprungen wird, ohne dass sie ein Kontinuum ergeben; eher vermischen sie sich ungeordnet. Und so, als wüsste Phillips nicht, was er filmen will, reiht er Dekors und Tanznummern aneinander, mit derselben Freudlosigkeit, mit der das Sequel aufs Original folgt.