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Filmkritik
Der Film „Kaviar“ hat durch das „Ibiza“-Video um den österreichischen Innenminister Hans-Christian Strache ein komplett anderes Setting erfahren. Die Regisseurin Elena Tikhonova, die seit dem Jahr 2000 in Wien lebte, wollte vermutlich „nur“ eine Groteske über reiche Russen und Österreicher mit Hang zur Korruption drehen. Jetzt, ein Ibizagate später, ist der Film Realsatire. Andererseits wird in „Kaviar“ so schallend über die Naivität von Menschen gelacht, die an Ehrlichkeit und den Rechtsstaat glauben, dass vielleicht weder der Film noch das Ibizagate dem Ausmaß der austro-russischen Schweinereien gerecht werden.
„Kaviar“ zieht seine Idee groß auf; jedes Klischee wird ausgekostet, jeder Blödsinn ausgeschlachtet. Ein russischer Oligarch namens Igor, der daran gewöhnt ist, dass er mit seinem Geld alles kaufen kann, erblickt in Wien die Schwedenbrücke über den Donaukanal und hätte dort gerne ein Haus. Richtig schön ist es auf der Brücke nicht, aber das ist Geschmackssache. Der Oligarch mag ja auch Jogginghose zum Ledermantel mit Pelzkragen.
Geld spielt keine Rolle
Nadja ist die Dolmetscherin von Igor. Sie lebt schon lang in Wien und kennt die Wiener. Die Idee mit der Donaubrücke schockiert sie vor allem deshalb, weil sie ahnt, dass es genug Interessenten geben wird, die versuchen, Igor bei diesem Plan zur Hand zu gehen, sobald sie die entsprechende Kostendeckung wittern. Der erste ist sofort zur Hand: Klaus, der Gatte ihrer Freundin Vera. Vera fand Klaus übers Internet; sie hat aus Russland nach Wien geheiratet, da will sie bleiben. Dafür nähme sie jeden Klaus in Kauf, so romantisch, wie Vera im Film vorgestellt wird, glaubt sie sogar an die Liebe, selbst bei einem Schwindler wie Klaus. Allerdings wird Klaus von Georg Friedrich gespielt, und dem kann man ja immer alles glauben.
Die Gruppe der Interessenten wird durch einen Anwalt aufgestockt, einen Freund von Klaus, und durch einen städtischen Politiker, der die Sache im Rathaus durchsetzen will. Aufgestockt heißt auch, dass erst 3 Millionen Euro an Klaus fließen, und dann noch etliche Millionen Euro mehr.
In „Kaviar“ wird aber auch an die Umverteilung des Kapitals gedacht. Konkret heißt das, dass Frauen eingreifen, die kühner, raffinierter und tatsächlich verantwortungsbewusster sind als die Männer: Sie wollen die Betrüger betrügen. Daraus schlägt der Film sein komödiantisches Kapital, das er mit Tempo, Klamauk und Dialogen untermauert, sowie mit Dialekt, mit dem schmierigen, hinreißenden österreichischen Dialekt, dem der russische Akzent von Vera in Sachen Charme kaum nachsteht.
Eine Frage der Umverteilung
Diese Frauen sind Nadja, Vera und die Künstlerin Teresa. Die Verbindung kommt eher zufällig zustande, Nadja ist das verbindende Glied. Die Konstellation ist überraschend, funktioniert aber: Vera kann Russen ködern, Teresa kennt ein paar Wiener Anarchos, Nadja weiß Bescheid über das Schmiergeld. Gemeinsam planen sie also die Sache mit der Umverteilung, und gleichzeitig wollen sie die Männer auffliegen lassen. Über diese Aufgabe lernen die drei sich gut genug kennen, sodass sie sich auch anschreien und wieder verzeihen können. Das ist dann plötzlich ernst, und deshalb noch viel besser: Sie mögen sich. Sie stellen den Wunsch nach Gerechtigkeit über ihre persönlichen Interessen. Und das Geld? Irgendwo muss ja auch das Geld sein, das es zu finden und zu stehlen gilt.
In ihrer Mission setzen sie technische Überwachungsmethoden ein, aber auch ihre Körper, wobei letzteres zu Eifersuchtsdramen führt. Es bekommen also nicht nur Männer, Politiker, Russen und Schwindler ihr Fett weg, sondern auch die Frauen. Die Regisseurin Elena Tikhonova sorgt beim Spott für eine gerechte Verteilung, genauso wie bei den surrealen Situationen, denen sich beide Geschlechter gelegentlich stellen müssen. Was für sehr viel Heiterkeit sorgt.
Freundschaft zwischen Frauen
Sie zeigt eine Welt voller Dachterrassen und Wodka, in der trotzdem Platz für das Alleinerziehen von Kindern ist, für Liebesleid und Kunstaktionen. Sie setzt die Wirklichkeitsnähe von Frauen gegen die Selbstverliebtheit von Männern, um hässliche gesellschaftspolitische Vorgänge lustig bloßzustellen. Das tut sie mit großer Freude an der Übertreibung und mit einer Reduktion der Außenwelt auf Klischees oder vermeintliche Klischees. Man muss dabei gar nicht wieder mit Strache anfangen. Man kann auch sagen, dass Tikhonova einen tollen Film über eine Freundschaft zwischen drei Frauen gedreht hat, nicht bloß eine tolle Komödie.
