- RegieHannu Salonen
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Filmkritik
Recht viel dramatischer könnte die zweite Staffel der „Oktoberfest“-Serie pünktlich zum realen Wiesnbeginn gar nicht starten. Die beiden männlichen Protagonisten Roman Hoflinger (Klaus Steinbacher) und Curt Prank (Mišel Matičević) – bekannt aus Staffel 1, „Oktoberfest 1900“ – stehen sich im direkten Duell mit scharfen Waffen gegenüber. Angebunden an einen Maibaum drehen sich die erbitterten Kontrahenten im Kreis und kommen einander so näher und näher – die Wahrscheinlichkeit, dass eine der Kugeln ihr Ziel erreicht, steigt mit jedem Zentimeter, mit dem das Seil, das die Männer verbindet, an Spiel verliert. Es geht in „Oktoberfest 1905“ einmal mehr um alles. Nicht nur um einen der umkämpften Bierzeltplätze auf der Wiesn geht es, um die sich die Münchner Bierbrauer und Wirte raufen, sondern darum, wer der Mächtigste ist und wem es gelingt, der Stadt ultimativ seinen Willen aufzuzwingen.
Der Weg auf den Bierzelt-Olymp führt über Leichen
Der Weg nach oben, zum obersten Bierzelt-Paten – das zeigte schon die düstere erste Staffel, ersonnen von Alexis von Wittgenstein – führt über Leichen. Für Blutvergießen sorgte dabei bisher zumeist der „Zuagroaste“ Nürnberger Unternehmer und Bierbrauer Prank. Um sein Bier im Festzelt an trinkfreudige Lederhosenträger ausschenken zu können – eigentlich ein Münchner Brauerprivileg –, machte der von Matičević Verkörperte sich daran, den bisherigen Zampano der Festwiese auszuknipsen. Der alte Hoflinger hinterließ seinen Sohn Roman und seine Ehefrau, gespielt von Martina Gedeck, als Erben. Eigentlich wurden aus den Erzfeinden im Laufe von Staffel 1 geliebte Feinde und Geschäftspartner. Verbindend wirkte vor allem die Liaison zwischen Roman Hoflinger und Pranks Tochter Clara (Mercedes Müller). Doch die blutige Vergangenheit sowie Pranks ungebrochener Wille zur Macht holen die beiden Familien ein.
Als „Oktoberfest 1900“ im Pandemiejahr 2020 startete, war die Produktion ein Riesenerfolg beim Fernsehpublikum. Als deutsche High-End-Serie knüpfte die Inszenierung von Hannu Salonen an visuell ähnlich bombastische Serienproduktionen internationaler Streamingdienste an. Gemütlich und bayerisch-zünftig ging es dabei nur in seltenen Momenten zu, und eine bierselige Gaudi, wie man sie zu anderen TV-Zeiten vielleicht erwartet hätte, war das sechs Folgen lange, dramatisch aufgebrezelte Ränkespiel und Gemetzel schon gar nicht. Statt freundlichem Alpenblick und Föhnwind gab es in „Oktoberfest 1900“ Bilder einer generischen Düstermetropole zu sehen, die ein jahreszeitlich unüblicher Eiseshauch zu durchwehen schien. An die visuelle und dramaturgische Gestaltung der Serie knüpft der Regisseur der zweiten Staffel, Stephan Lacant, unmittelbar an und spitzt das Szenario der aufeinandertreffenden Machtmänner entschieden weiter zu.
Mehr „Game of Thrones“ als „Münchner Gschicht“
Die sporadischen Bierzelt-Impressionen der ersten Staffel geben die neuen Episoden beinahe gänzlich auf. Dass die Serie mehr ein „Game of Thrones“ sein möchte als eine „Münchner Gschicht“, wäre an und für sich schon in Ordnung, würde die Produktion sich doch nur um eine glaubhaftere Figurenzeichnung bemühen und um Dialoge, die auch nur einen Funken Esprit und Münchner Sprachwitz in sich trügen.
Erzählte die erste Staffel noch von der allgegenwärtigen Gewaltgefahr, der Frauen im Oktoberfest-Umfeld durch (meist alkoholisierte) Männer ausgesetzt waren, meuchelt in Staffel zwei die Brauereierbin Maria Hoflinger, verkörpert von Martina Gedeck, hemmungslos mit. Im blutverschmierten weißen Gewand steht sie schließlich als Rächerin ihres toten Mannes da. Die lediglich vier Episoden der zweiten Staffel wirken ein wenig, als hätte die Produktion mit Budgetproblemen zu kämpfen gehabt.
Der Handlungsstrang um Brigitte Hobmeiers Figur Colina Kandl, in der ersten Staffel eingeführt als Clara Pranks Anstandsdame, wirkt in Bezug auf das Hauptgeschehen diesmal seltsam unverbunden. Nach einem Gefängnisaufenthalt, den ihr die Tötung ihres Ehemanns aus Notwehr beschert hat, sucht die Frau nach Halt und Anstellung und findet beides im Lokal „Deutsche Eiche“. Das Etablissement teilt hier aber lediglich den Namen mit der berühmten Münchner Institution, in der Rainer Werner Fassbinder ein- und auszugehen pflegte. Jedenfalls findet Colina hier eine neue Liebe zur Nachtklubbesitzerin Nappi (Lisa Maria Potthoff). Das weibliche Empowerment bleibt in der dramaturgisch unterentwickelten Serie indes ebenso bloße Behauptung wie die Figurenentwicklung, der es bei sämtlichen Charakteren an Tiefe vermissen lässt.
Eine ziemliche Räuberpistole
Eigentlich hatte das von Klaus Steinbacher und Mercedes Müller gespielte Paar den großen Plan, das Brauereigewerbe zu exportieren und in die USA zu emigrieren. Nach Chicago sollte ihre Ausreise führen. Auch dieser Plan wird vom durchtriebenen Bierzelt-Machthaber und Vater von Clara vereitelt. Statt „Ois Chicago“ also „nix Chicago“. „Oktoberfest 1905“ und seine zweite Staffel ist eine ziemliche Räuberpistole geworden, wogegen im Grunde auch nichts einzuwenden wäre, wäre die Inszenierung doch nur von einem Funken Charme, Münchner Grant, Schlitzohrigkeit oder augenzwinkernd-trockener Pointen beseelt. So aber bleibt der Eindruck einer allzu hanebüchenen Erzählung zurück, der es nicht an Brutalität mangelt, aber an einer sinnvollen Figurenpsychologie und an kultureller Glaubwürdigkeit.




