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Filmkritik
Der Gegensatz zwischen Stadt und Land, er ist eins der großen Themen unserer Zeit – spätestens wenn mal wieder gewählt wurde, ist diese Dichotomie unübersehbar. Sogar beim „Pumuckl“ ist der Konflikt jetzt angekommen – wenn auch natürlich nicht als politisches Statement. Sondern als existenzielles: „I g’hör nach München! Mia zwei g’hörn nach München!“, so ruft es der Meister Eder hier einmal seinem rothaarigen Kobold zu.
Zuvor hat ein Aufenthalt auf dem Land die beiden fast entzweit: Von seiner alten Bekannten Burgi zurück in den kleinen Weiler Meyerhofen gelockt, wo er einst seine Lehre absolviert hatte, gerät der Eder Flori ins Träumen von der großen Karriere. Denn Burgi sucht nicht nur jemanden, der ihr für die anstehende Maifeier das Maibaum-Karussell reparieren kann, sondern auch einen Nachfolger für ihre große Schreinerei. Dazu kommen die Kameraden und Kameradinnen von einst, die den heimgekehrten Staderer (hochdeutsch: Städter) sogleich herzlich wieder in ihrer Mitte aufnehmen, außerdem die alte Band … Im Dorfidyll hat der Schreinermeister allerdings wenig Zeit für den Pumuckl, dieser wird eifersüchtig und kommt auf dumme Gedanken. Und schließlich sogar auf die Idee, sich einen „neuen Meister Eder“ zu suchen! Letzterer muss sich ziemlich anstrengen, seinen kleinen Kobold „zurückzuerobern“. Weshalb „Pumuckl und das große Missverständnis“ nebenbei auch eine Art Liebesfilm geworden ist, inklusive öffentlich vorgetragener Reue, emotionalen Bekenntnissen und leidenschaftlichen Schwüren.
Auf dem Land ein Stück entwurzelt
Erst in der Stadt also, ihrem natürlichen Habitat, kommen der Schreinermeister und sein Pumuckl wieder ganz bei sich an. Was eben auch bedeutet: beieinander. Ähnlich verhält es sich kurioserweise mit dem Film selbst: Der wirkt in den Szenen auf dem Land ein Stück weit entwurzelt, scheint hier seinen Esprit und Einfallsreichtum ein wenig einzubüßen, vermag in seinen Gags nicht so souverän wie sonst zu zünden. Da sind Figuren zu platt gezeichnet und ist manches allzu konstruiert, lässt es das Drehbuch insgesamt ein bisschen an Fantasie mangeln. Immerhin, eine wilde Traktorfahrt mischt das etwas zu vorhersehbare Geschehen auf dem Land auf und sorgt schließlich auch hier noch fürs Pumuckl-typische lustige Tohuwabohu.
Zu dieser Action-Szene gibt es ein Pendant in der Stadt, wenn sich Eder und sein spießiger Nachbar Burke mit dem Auto auf den Weg in die Innenstadt machen – da geht es über Stock und Stein, querfeldein durch den Englischen Garten. Eine herrliche Sequenz, ebenso wie die folgenden, sich an Absurditäten jagenden Szenen hinter den Kulissen der prächtigen Münchner Staatsoper (inklusive Cameo-Auftritt von Jonas Kaufmann und ein die Herzen erobernder Überraschungsgast bei „La Cenerentola“). Spätestens hier findet der Film auch wieder zu dem Geist, der den „Pumuckl“ auszeichnet, der Lust an Schabernack, Anarchie und Chaos, am Um-die-Ecke-denken. Kurzum, am Spaß an Unordnung aller Art, über die die Dinge, Beziehungen und Verhältnisse letztlich aber auch stets wieder zurechtgerückt werden. Dieses Prinzip gilt im Übrigen auch für die sprachliche Ebene: Zu dem stolzen kleinen „Nachfahren der Klabautermänner“ gehören unbedingt auch seine Reime und Sprachspielereien, die das gewohnte Vokabular auf den Kopf stellen, auseinandernehmen und anschließend kreativ neu arrangieren.
Kongenial und ganz behutsam modernisiert hatte Produzent und Drehbuchautor Korbinian Dufter 2023 mit seiner Firma Neue Super, den Autoren Matthias Pacht, Moritz Binder und Katharina Köster sowie dem Regisseur Marcus H. Rosenmüller den Pumuckl nach 20 Jahren Pause wieder aufleben lassen: Ausgestrahlt als 13-teilige Serie auf RTL+, drei der Episoden waren zuvor zusammengefasst zu einem 90-minütigen Film im Kino zu sehen. Zwei Jahre später gibt es nun mit nahezu derselben Crew einen eigenständigen abendfüllenden Kinofilm sowie neue Serienfolgen, die Ende des Jahres erneut bei RTL+ ausgestrahlt werden. Dass die Dorf-Episode nicht zu den stärksten Momenten des neuen Pumuckl-Kosmos gehört, mag also womöglich auch mit den veränderten Anforderungen an die Dramaturgie zu tun haben, die eine Spielfilmlänge im Gegensatz zu einer halbstündigen Serienfolge erfordert.
Liebevoll ins Heute transportiert
Grundsätzlich jedoch bleibt man auch in „Pumuckl und das große Missverständnis“ bei der bewährten Herangehensweise von 2023, die bei Publikum wie Kritik gut ankam: Den liebevoll und ganz dezent ins Heute transportierten Animationen der Pumuckl-Figur, deren von Kabarettist Maximilian Schafroth gesprochener und mittels KI in den Duktus des Original-Pumuckl-Sprechers Hans Clarin transformierter Stimme, den großteils bereits eingeführten Protagonisten und (gut aufgelegten) Darstellern – darunter mit Ilse Neubauer als Hausmeisterin sogar eine Schauspielerin, die schon in der TV-Serie aus den 1980er-Jahren dabei war. Diese „neuen“ Pumuckl-Geschichten respektieren das Original und sind im besten Sinne altmodisch, ohne dabei im Gestern festzustecken – die veränderten gesellschaftlichen Konventionen und Rollenbilder werden ganz nebenbei miterzählt. Last but not least darf auch der legendäre Hinterhof mitsamt Schreinerwerkstatt (als Nachbau des längst abgerissenen Original-Drehorts im Münchner Stadtteil Lehel) nicht fehlen – diesmal eben nur häufiger verwaist, da sich die beiden Hauptfiguren, siehe oben, öfters mal woanders aufhalten.
Das Spalterische freilich, das ja gerade auch im politisch-gesellschaftlichen Gegeneinander von Stadt und Land gerne einmal zutage tritt, liegt dem Meister Eder und seinem Pumuckl völlig fern. Auch wenn am Ende des Films ganz klar ist, wo der Eder und sein Kobold hingehören, schließt die Geschichte keineswegs, indem sie irgendwelche Unterschiede betont – sondern, ganz im Gegenteil, indem sie diese mithilfe von Witz, Zugewandtheit und Menschenfreundlichkeit miteinander aussöhnt.
