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Filmkritik
Irgendwie ist James Blaine Mooney (Josh O’Connor), der nur J.B. genannt wird, ein ehemaliger Kunststudent, jetzt arbeitsloser Tischler, in einem Leben gelandet, dass er sich so nicht erträumt hat. Es muss auf jeden Fall schon bessere Zeiten für den Mittdreißiger gegeben haben. Sonst wäre er nicht mit Terri (Alana Haim) verheiratet und hätte nicht zwei vorpubertäre Söhne, die zwar nerdig, aber auch liebenswert und originell sind. Was also ist passiert, dass um ihn herum alles so farblos und gedämpft ist? Das funktionale Häuschen in einer Vorstadt in Massachusetts, die wenigen Worte zwischen ihm und Terri, die Abendessen im gutbürgerlichen Elternhaus oder die Vorhaltungen seines Vaters (Bill Camp), dass einer seiner Bekannten eine eigene Firma und jede Menge Projekte habe. Chef zu sein, sei „eine dämliche Art, seine Zeit zu verbringen“, findet J.B. Er muss etwas Besseres vor Augen haben. Nur was?
Man erfährt nicht, wie J.B. zum Stillstand gekommen ist. Aber man erfährt, wie er da wieder herauskommen will: nämlich mit dem Raub von vier Gemälden des abstrakten Malers Arthur Dove aus dem (fiktiven) „Framingham Museum of Art“. J.B. hält das für eine pfiffige Idee. Doch schon der Trailer zu „The Mastermind“ legt nahe, dass der Filmtitel reine Ironie ist.
Treibender Jazz, stille Bilder
Kelly Reichardt, die sich in ihren Filmen für Menschen interessiert, denen es aus welchen Gründen auch immer nicht gelingt, auf der US-amerikanischen Erfolgswelle mitzuschwimmen, hat ein Heist-Movie gedreht. Sie siedelt die Handlung dazu zu Beginn der 1970er-Jahre an, als Kunstwerke offenbar noch nicht mit High-Tech gesichert wurden; einige spektakuläre Raubüberfälle aus jener Zeit dienten als Inspiration. Wenn man sich an „First Cow“ (2019) erinnert, mit dem die Regisseurin das Westerngenre in zärtlichen Bildern gegen den Strich bürstete, ahnt man, dass sie auch in „The Mastermind“ mit Genrekonventionen brechen will, wenngleich sie sich zunächst an die übliche Reihenfolge hält. J.B. kundschaftet deshalb als erstes das Museum und dessen Sicherheitsvorkehrungen aus. Er heuert ein paar Kleinkriminelle an, denen er zur Maskierung Nylonstrümpfe reicht, und lässt die ahnungslose Terri Säcke für den Transport der Bilder nähen. Selbst die akzentuierte Filmmusik mit treibenden Jazzklängen ist stimmig, steht aber im wundervollen Kontrast zur unaufgeregten Bildmontage.
Nach einem guten Viertel des Films liegen die vier Gemälde im gestohlenen Wagen, obwohl eigentlich nichts nach Plan gelaufen ist. Ein Kumpan lässt J.B. hängen, ein anderer wird ihn verraten, die Polizei ist ihm bald auf den Fersen und wie soll er die Bilder überhaupt zu Geld machen? „Ich glaube, du hast das nicht richtig durchdacht“, sagt später einer zu ihm, der sich in diesem Geschäft auskennt. Das aber hat J.B. zu diesem Zeitpunkt bereits selbst begriffen. Er sieht keinen anderen Ausweg, als sich davon zu machen. Damit wird „The Mastermind“ dann zum Road Movie.
Die USA in den 1970er-Jahren
Nachts im Bus fährt J.B. durch die USA, zu Freunden aus Studienzeiten, die sich aufs Land zurückgezogen haben, dann weiter nach Cleveland. Nebenbei zeichnet der Film ein Bild von den USA in den 1970er-Jahren, als im Kino die Verschwörungsthriller en vogue waren. An einer nächtlichen Bushaltestelle will Uncle Sam „dich“ für die Army. Ein Porträt von Richard Nixon hängt in einem Schaufenster, im Fernsehen laufen Berichte über die US-Truppen in Kambodscha, und die Teilnehmer einer Friedensdemonstration werden als Hippies und Schmarotzer beschimpft.
Es lohnt, sich auf die ruhenden, oft statischen Bilder und die langsamen Kamerafahrten einzulassen und genau hinzuschauen. Kelly Reichhardt nimmt das Beiläufige und vermeintlich Unspektakuläre in den Blick. Sie zeigt Menschen im Vorübergehen und Orte, die überall und nirgendwo sein könnten, und zeichnet damit ein Bild der USA, das womöglich mehr mit der Realität des Landes zu tun hat als mit dem Traum von New York oder Las Vegas. Das warme Tageslicht und die erdigen Herbstfarben zu Beginn des Films weichen vernebelten Landschaften und dunklen Innenräumen. J.B. weiß nicht mehr, was er tun kann, außer weiterhin „on the run“ zu sein, und passt damit perfekt ins Figurenensemble des Kinos von Kelly Reichhardt, die gerne untersucht, welche Konsequenzen das Handeln von Menschen hat.
Josh O’Connor stattet J.B. mit jungenhaftem Charme aus, in dem immer auch etwas Schelmisches durchschimmert. Doch was soll man von J.B. halten? Ist er ein Kindskopf? Ein skrupelloser Lügner und Betrüger? Ein Nichtsnutz, der mit einer erstaunlichen kriminellen Energie ausgestattet ist? Er rebelliert gegen die Privilegien der Mittelklasse, die seine Eltern so selbstzufrieden verkörpern. Gleichzeitig ist er genau darauf angewiesen, wenn er seine Mutter zum wiederholten Male um Geld anpumpt oder die Gastfreundschaft seiner Freunde, die in bescheidenen Verhältnissen leben, mit großer Selbstverständlichkeit nutzt und nicht erkennt, dass er sie mit seiner Anwesenheit in Gefahr bringen könnte. Kelly Reichardt führt J.B. nicht vor; sie seziert ihn aber mit feinem Humor. James Blaine Mooney hat das alles wirklich nicht durchdacht. Erstaunt stellt er fest, dass etwas in Bewegung gekommen ist, was er so nicht gewollt hat. Wahrscheinlich gibt es für Spinner und Träumer wie ihn auch keinen Platz in einer Gesellschaft, die vom Kapitalismus getrieben ist.





