





Cast
Vorstellungen








Filmkritik
Ein Whistleblower trifft sich mit dem mächtigen Chef einer Firma, über die er kompromittierende Informationen gesammelt hat. Nachdem der Informant mehrfach bedroht wurde, weiß er sich nicht anders zu helfen, als mit den brisanten Unterlagen sein Überleben zu sichern. Die Stimmung während der Übergabe, bei der sich gewissermaßen David und Goliath gegenübersitzen, ist entsprechend angespannt. Jede Gefahr für das Leben des nervösen Whistleblowers soll durch wohl überlegte Rahmenbedingungen eliminiert werden. Als Lebensversicherung dienen unter anderem ein Selfie mit dem Firmenchef sowie eine Kopie des Dokuments, die, falls der Informant unerwartet ableben sollte, veröffentlicht wird.
Im Schutz vieler Masken
Um zu überprüfen, dass auch alle Vorsichtsmaßnahmen penibel eingehalten werden, sitzt Ash (Riz Ahmed) ebenfalls in jenem Diner, in dem das Treffen stattfindet. Als „Fixer“ lässt er sich gut für den Schutz seiner verängstigten Kunden bezahlen. Seine Superkraft besteht sozusagen darin, unsichtbar zu sein. Klein, drahtig und denkbar unscheinbar sieht er aus. Augenkontakt meidet er. Sein Gesicht versteckt er meist hinter einer Kappe und schlüpft im Laufe des Films in unterschiedliche Kostüme. Mal ist er ein Paketbote, mal ein gläubiger Moslem mit langem Bart, mal ein Security-Mann. Unbemerkt gleitet er durch die Menschenmassen in New York und windet sich elegant aus den brenzligsten Situationen.
Der Thriller „The Negotiator“ von David Mackenzie handelt von einem Helden ohne Eigenschaften, der es perfektioniert hat, seine Spuren zu verwischen. Die spannende Grundidee des Films besteht darin, dass jegliche Kommunikation mit dem „Fixer“ über eine Telefonzentrale für gehörlose Menschen läuft. Ash wahrt seine Anonymität, indem er seine Anweisungen in einen Computer eingibt, dessen Text von einem Callcenter-Mitarbeiter vorgelesen wird. Was auf der anderen Leitung erwidert wird, tippt der Telefonist ebenfalls ein, was wiederum Ash in altmodischen digitalen Lettern angezeigt wird.
Diese Situation wirkt etwas absurd, weil die offensichtlich nicht ganz legale Kommunikation, die sich um heikle Dokumente und Schutzgeld dreht, von den Callcenter-Mitarbeitern mit konsequentem Pokerface übermittelt wird. „The Negotiator“ setzt dafür verschiedene, teilweise auch wiederkehrende Darsteller ein, die keine Sekunde lang an der Professionalität und Vertraulichkeit der Figur zweifeln lassen. Als zwei Handlanger eines dubiosen Forschungsunternehmens Ash auf die Schliche kommen wollen, werden sie in der Telefonzentrale abgewiesen: Es herrscht strikte Schweigepflicht; jede Aufnahme wird umgehend gelöscht.
Ein Rädchen greift ins andere
Mit diesen äußerst hartnäckigen Handlangern muss sich Ash dennoch lange herumplagen. Die ehemalige Mitarbeiterin Sarah (Lily James) besitzt belastendes Material über die Nebenwirkungen von genetisch verändertem Weizen, das sie auf die Abschussliste ihres ehemaligen Arbeitgebers gebracht hat. Der Film nimmt diesen Auftrag zum Anlass, um sich fieberhaft den verschachtelten Arbeitsmethoden des Protagonisten hinzugeben. Ständig werden Handys gewechselt, falsche Fährten gelegt und Umwege eingeschlagen, was Ash aus der Distanz vergnügt beobachtet, während die Verfolger immer wütender werden.
Von keiner Figur bekommt man bis zu diesem Zeitpunkt eine Vorgeschichte oder ein Psychogramm mitgeliefert. Jeder definiert sich nur über das, was er im Moment tut. Als Zuschauer macht es großen Spaß, dabei zuzusehen, wie sich hier, untermalt von treibenden, eklektisch ausgewählten Popsongs, wie in einem perfekt designten Getriebe alle Rädchen ineinanderfügen.
Durch die labile Sarah wird die Mechanik aber zunehmend gestört. Ash ist jemand, der stets andere beobachtet, aber selbst nie gesehen wird. Die Arbeitsbeziehung mit Sarah provoziert ihn jedoch, aus der Reserve zu kommen. Bereits am Anfang zeichnet sich eine Schwäche ab, als er seine Kundin im Internet recherchiert und etwas zu lange auf ihrem Bild verharrt. Der Film springt immer wieder zwischen Sarah und Ash hin und her: zwei Fremde, die sich in ihrer Einsamkeit und Sehnsucht doch nah sind. Später erfährt man dann doch etwas über Ashs Vorgeschichte, über seinen Alkoholismus und seinen Idealismus. Seine Biografie fällt allerdings ein wenig lieblos aus. Sie macht seinen Charakter nicht komplexer, sondern banaler. Interessant ist allerdings, dass Ash, der durch seinen Job jeden Anflug von Privatheit aus seinem Leben verbannt hat, seine Alkoholsucht letztlich nur durch eine neue Sucht ersetzt hat.
Inszenatorische Feinarbeit
Je mehr sich der Film dem Ende nähert, desto mehr verliert er von seiner Faszination. Nicht nur, weil man von Ash plötzlich mehr erfährt als man wissen will, sondern auch, weil der distanzierte, auf möglichst reibungslose Abläufe ausgerichtete Thriller durch mehrere erzählerische Volten in ein recht gewöhnliches Finale mit Verfolgungsjagd und Schießereien mündet. Die unterschwellige Spannung und inszenatorische Feinarbeit, die „The Negotiator“ über weite Strecken prägen, heben ihn trotz eines schalen Endes deutlich über ähnliche Arbeiten hinaus.





